Fiktives Kindergeld: Nur tatsächlich gezahltes Auslandskindergeld anrechenbar




Die EU-Mitgliedsländer haben sich unter anderem aufgrund der Niederlassungsfreiheit darauf geeinigt, dass ihre Bürger auch in anderen EU-Staaten Sozialleistungen erhalten können. Nach europäischem Recht gehört das Kindergeld zu diesen Sozialleistungen. Damit hat ein Deutscher mit Kindern in Deutschland und beruflicher Tätigkeit im EU-Ausland Anspruch auf Kindergeld im Ausland. Die deutsche Familienkasse zahlt dann nur in Höhe der Differenz zwischen dem ausländischen und dem deutschen Kindergeld ein sogenanntes Differenzkindergeld. Ist die Differenz negativ, zahlt sie natürlich nichts. Geregelt wird das alles mit Hilfe sogenannter Kollisionsregelungen.

Soweit die Theorie - jetzt kommt die Praxis: Wie erfährt die Familienkasse wohl, dass der Deutsche im EU-Ausland arbeitet? Welcher Steuerzahler weiß schon, dass ein Arbeitsverhältnis im europäischen Ausland relevant ist für das deutsche Kindergeld, und meldet es von sich aus?

Ein Zahnärzte-Ehepaar wusste es offenbar nicht. Erst im April 2012 teilten die Eheleute der Familienkasse mit, dass sie schon seit 2002 beruflich in den Niederlanden tätig sind. Die Familienkasse, die daraufhin nur Differenzkindergeld zahlen wollte, änderte rückwirkend die Kindergeldbescheide und verlangte die Rückzahlung des zu viel gezahlten Kindergeldes von den Eheleuten. Besonders ungünstig war dabei, dass man in den Niederlanden Familienleistungen (vergleichbar mit dem Kindergeld) nur für ein Jahr rückwirkend beantragen kann - unfair, wie die Eltern bemängelten.

Das Finanzgericht Münster (FG) gab ihnen recht. Seine Begründung kann man in diesem Fall als "bürokratischen Bumerang" bezeichnen. Denn grundsätzlich hatte die Familienkasse natürlich recht. Die Eheleute hätten in den Niederlanden Kindergeld beantragen müssen und es dort auch erhalten. Sie haben dies aber versäumt. Der ordnungsgemäße Verwaltungsablauf, den die europäischen Regelungen vorsehen, war damit nicht eingehalten. Der ist aber Bedingung für die Anwendung der Kollisionsregelung. Ein fiktiver Bezug von Auslandskindergeld konnte daher nicht unterstellt werden. Erst bei einer tatsächlichen Zahlung hätte die Kollisionsregelung gegriffen. Der ablehnende Bescheid der Familienkasse musste also aufgehoben werden.

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zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 02/2017)