Gewinn aus Betriebsveräußerung: Steuersatzermäßigung ist auch bei irrtümlicher Gewährung "verbraucht"
Gewinne aus einer Betriebsveräußerung können Sie als außerordentliche Einkünfte mit einem ermäßigten Einkommensteuersatz versteuern. Haben Sie als Veräußerer bereits das 55. Lebensjahr vollendet oder sind Sie im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, so können Sie alternativ auf Antrag eine besondere Steuersatzermäßigung in Anspruch nehmen, so dass für die Gewinne nur 56 % des regulären durchschnittlichen Steuersatzes anfallen. Das Einkommensteuergesetz sieht aber vor, dass diese Ermäßigung nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden kann.
Ein neuer Fall des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigt, dass die besondere Steuersatzermäßigung auch dann "verbraucht" ist, wenn das Finanzamt sie in der Vergangenheit versehentlich und ohne Antrag für nicht begünstigte Einkünfte gewährt hat.
Im zugrundeliegenden Fall war einem Arzt im Jahr 2006 die Steuersatzermäßigung auf Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung gewährt worden, obwohl diese Einkünfte gar nicht begünstigt waren. Das Finanzamt hatte eine Feststellungsmitteilung für die Gemeinschaftspraxis falsch ausgewertet, so dass der Steuersatz reduziert wurde, ohne dass der Arzt einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Gleichwohl ließ er den Fehler damals nicht korrigieren.
Als der Arzt zehn Jahre später seine Anteile an der Gemeinschaftspraxis veräußerte, wollte er für den dabei entstandenen Veräußerungsgewinn die besondere Steuersatzermäßigung in Anspruch nehmen. Das Finanzamt lehnte jedoch ab und verwies auf die erfolgte Gewährung im Jahr 2006.
Der BFH bestätigte den "Verbrauch" der Steuersatzermäßigung und verwies auf seine ständige Rechtsprechung, nach der eine antragsgebundene Steuervergünstigung für die Zukunft auch dann verbraucht ist, wenn sie zu Unrecht und ohne erforderlichen Antrag gewährt wurde. Entscheidend ist allein, dass sich die Vergünstigung damals bereits ausgewirkte und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Etwas anderes kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur gelten, wenn die irrtümliche Gewährung angesichts der geringen Höhe der Vergünstigung oder einer fehlenden Erläuterung im Steuerbescheid nicht erkennbar war. Diese Fallkonstellation war hier aber nicht gegeben, da die irrtümlich gewährte Ermäßigung die Steuer 2006 um rund 8.000 EUR gemindert hatte.
Hinweis: Wer die Steuersatzermäßigung in seinem Leben noch in Anspruch nehmen will, ist also gut beraten, wenn er eine irrtümliche Gewährung zeitnah beim Finanzamt anzeigt bzw. Einspruch einlegt, damit der Fehler korrigiert werden kann, so dass die Ermäßigung für spätere Veräußerungsgewinne noch zur Verfügung steht. Wer untätig bleibt, nimmt den Verbrauch der Ermäßigung in Kauf.
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(aus: Ausgabe 04/2022)