Öffentliche Zustellung: Bescheidzugang wird durch spätere Akteneinsicht bewirkt
Dass Behörden einen langen Atem haben und ihr Recht auch noch Jahre später durchsetzen, musste kürzlich ein Familienvater erfahren. Dieser war im August 2008 nach Italien verzogen, ohne die Familienkasse von seinem Umzug zu informieren, so dass ihm weiterhin Kindergeld gezahlt wurde. Als die Kasse von seinem Wohnsitzwechsel erfuhr, hob sie die Kindergeldfestsetzung im Mai 2009 per öffentlich zugestelltem Bescheid (Aushang) auf und forderte das Kindergeld für September 2008 bis März 2009 zurück.
Als der Mann Anfang 2014 nach Deutschland zurückkehrte, nahm die Familienkasse den roten Faden wieder auf, bat den Vater entsprechend zur Kasse und gab ihm die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn bekannt. Nachdem sein Prozessbevollmächtigter im April 2014 Akteneinsicht genommen hatte, legte der Vater Einspruch gegen den Rückforderungsbescheid aus 2009 ein.
Das Finanzgericht Münster (FG) entschied in erster Instanz, dass die Familienkasse das Kindergeld - jedenfalls bis einschließlich Dezember 2008 - zu Unrecht zurückgefordert hatte. Die Finanzrichter argumentierten mit dem Eintritt der Festsetzungsverjährung: Die Festsetzungsfrist habe bereits mit Ablauf des Jahres 2008 begonnen, aufgrund einer leichtfertigen Steuerverkürzung fünf Jahre betragen und somit mit Ablauf des Jahres 2013 geendet. Die öffentliche Zustellung des Rückforderungsbescheids aus 2009 stufte das FG als unwirksam ein, weil diese Benachrichtigung nicht den Hinweis enthielt, dass das Dokument öffentlich zugestellt wird und somit Fristen in Gang gesetzt werden können, nach deren Ablauf Rechtsverluste drohen können.
Hinweis: Bei öffentlichen Zustellungen wird ein entsprechender Hinweis, dass das Dokument öffentlich zugestellt wird und damit bestimmte Fristen in Gang gesetzt werden, gesetzlich ausdrücklich gefordert.
Der Bundesfinanzhof urteilte jedoch, dass die Familienkasse das Kindergeld auch für die Zeiträume bis einschließlich Dezember 2008 zu Recht zurückgefordert hatte. Der vom FG angeführte Mangel bei der öffentlichen Zustellung wurde nach Gerichtsmeinung nachträglich "geheilt", indem der Bescheid dem Bevollmächtigten im Jahr 2014 im Rahmen der Akteneinsicht tatsächlich zur Kenntnis gelangt war. Zu diesem Zeitpunkt war die fünfjährige Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen. Diese endete nicht vor Ablauf der fünfjährigen Verfolgungsverjährungsfrist, die erst mit der (letzten) Auszahlung des Kindergeldes für März 2009 zu laufen begonnen hatte. Diese Frist wurde unterbrochen, als die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben wurde, begann nach dieser Unterbrechung aber erneut zu laufen und war somit nicht abgelaufen, als die Akteneinsicht im April 2014 erfolgte.
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(aus: Ausgabe 05/2018)