Tatsächliche Verständigung: Wann sich Steuerzahler aus der Bindungswirkung lösen können




Manchmal ist die Sachverhaltsermittlung im Besteuerungsverfahren so kompliziert und schwierig, dass Finanzamt und Steuerzahler eine sogenannte tatsächliche Verständigung treffen. In dieser Übereinkunft werden die Sachverhaltsmerkmale festgezurrt, die der Besteuerung zugrunde gelegt werden.

Hinweis: Eine tatsächliche Verständigung soll den Rechtsfrieden herstellen und weitere Einsprüche und Klagen vermeiden. Sie entfaltet Bindungswirkung für die Beteiligten.

Dass sich diese Bindungswirkung später für den Steuerzahler als unerwünscht herausstellen kann, zeigt der Fall eines Unternehmerehepaares aus Baden-Württemberg, der jetzt vor dem Bundesfinanzhof (BFH) verhandelt wurde: Das Paar hatte aufgrund einer GmbH-Insolvenz einen Auflösungsverlust von 1 Mio. EUR steuerlich geltend gemacht und mit seinem Finanzamt eine tatsächliche Verständigung getroffen, nach der von einer Verlustentstehung im Jahr 2005 ausgegangen werden sollte. Als das Amt den Verlust im Nachgang in der Einkommensteuerfestsetzung 2005 berücksichtigen wollte, stellte es jedoch fest, dass der frühere Steuerberater der Eheleute seinen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 bereits zurückgenommen hatte, so dass die Einkommensteuerfestsetzung 2005 verfahrensrechtlich gar nicht mehr änderbar war.

Auf dem Klageweg wollten sich die Eheleute aus der tatsächlichen Verständigung lösen und erreichen, dass der Verlust im Jahr 2007 abgezogen wird. Das Finanzgericht (FG) lehnte dies zunächst ab und verwies darauf, dass die tatsächliche Verständigung weiterhin binde und der Verlust daher nicht nach 2007 "herübergerettet" werden könne.

Der BFH hob das finanzgerichtliche Urteil jedoch auf und erklärte, dass einer tatsächlichen Verständigung keine Bindungswirkung zukommt, wenn die Parteien der Übereinkunft einen Umstand (als Geschäftsgrundlage) zugrunde gelegt haben, der von vornherein gefehlt hat. Vorliegend waren Finanzamt und Steuerzahler zunächst übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Einkommensteuerbescheid 2005 verfahrensrechtlich noch änderbar war. Da diese angenommene Geschäftsgrundlage von vornherein fehlte, war die tatsächliche Verständigung für die Beteiligten daher ausnahmsweise nicht bindend. 

Hinweis: Der BFH verwies das Verfahren gleichwohl an das FG zurück, weil in einem zweiten Rechtsgang noch zu prüfen ist, ob ein Verlustabzug im Jahr 2007 zulässig ist. Die tatsächliche Verständigung darf einer solchen Berücksichtigung nun jedenfalls nicht mehr im Wege stehen.

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(aus: Ausgabe 11/2017)