Zwölfjähriges Verkehrsunfallopfer: Als "Verdienstausfall" bezeichnete Versicherungsleistung bleibt unbesteuert




Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt werden, unterliegen in aller Regel der Einkommensteuer. Nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) muss für eine solche Besteuerung aber eine kausale Verknüpfung zwischen Entschädigung und entgangenen Einnahmen bestehen.

Der Entscheidung liegt der Fall eines jungen Mädchens zugrunde, das im Jahr 2003 im Alter von zwölf Jahren in einen schweren Verkehrsunfall in der Schweiz verwickelt war und dabei unumkehrbare körperliche und geistige Folgeschäden (Grad der Behinderung 100 %) erlitten hatte. Aufgrund dieser Schädigung ist es zeitlebens nicht in der Lage, eine Ausbildung zu beginnen oder ein Arbeitseinkommen zu erzielen. Von der Versicherung des Schädigers erhielt das Mädchen 2015 nach Schweizer Recht eine als "Verdienstausfall" bezeichnete Zahlung von 695.000 EUR.

Das Finanzamt stufte die Zahlung als steuerpflichtige Entschädigung ein und setzte darauf eine Einkommensteuer von 252.560 EUR (zuzüglich Solidaritätszuschlag von 13.890 EUR) fest. Das Mädchen klagte gegen die Besteuerung und trug vor, dass die Zahlung nicht mit einer real existierenden (oder auch nur geplanten) Erwerbstätigkeit zusammenhänge, sondern nur einen hypothetischen Erwerbsausfallschaden abdecken solle und somit als Schmerzensgeld- bzw. Schadenersatzleistung nicht besteuert werden dürfe.

Der BFH lehnte eine Besteuerung ebenfalls ab und verwies darauf, dass die mit der Versicherung getroffenen Vereinbarungen nicht dahin gehend gedeutet werden können, dass mit der Zahlung tatsächlich ein Ersatz für steuerbare Einnahmen aus einer konkreten Einkunftsquelle geleistet werden sollte. Dieser Zusammenhang hätte aber für eine Besteuerung als Entschädigung bestehen müssen. Das Mädchen hatte zum Zeitpunkt des Unfalls in keinem Arbeitsverhältnis gestanden und altersbedingt weder ein Ausbildungs- noch ein Arbeitsverhältnis angestrebt. Die Bundesrichter sahen die geleistete Zahlung als Ersatz für die der Klägerin genommene Möglichkeit, sich überhaupt für ein Erwerbsleben entscheiden zu können.

Hinweis: Es fehlte dem BFH hier an der erforderlichen kausalen Verknüpfung zwischen der Entschädigung und entgangenen steuerbaren Einnahmen, so dass eine Besteuerung als Entschädigung ausschied.

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(aus: Ausgabe 01/2021)